Maske:
König Ubu

Eine eindrückliche Figur, dieser Ubu. Dieser wahnsinnige König des Schriftstellers Alfred Jarry holt das an die Ränder gedrängte Schizophrene in den Mittelpunkt der Gesellschaft zurück und lebt es als Machthaber selbst aus. Er bringt das Magma an die Oberfläche, das in allen brodelt, so sehr sie sich für normal wähnen. Mein Ubu trägt eine kleine Fernsehantenne und ist damit medial omnipräsent.

Geldfälscher, Rocker, Millionärin

Meine bisherigen Biografien und Sachbücher

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Bis etwa 2014 habe ich vor allem Biografien und Sachbücher geschrieben. Einige davon sind zu Klassikern geworden, die etliche Auflagen erlebten: Tino, Deubelbeiss, Lydia. Allesamt Longseller. Von diesen Büchern ist hier die Rede.

 

 

Lady Shiva – Aufbruch auf High Heels

Das Buch über Lady Shiva, Zürichs bekannte Szenefrau und Edelprostitierte, im Oktober 2013 erschienen, Fr. 39.80

 

 

Tino – König des Untergrundes

Das Buch über den Rockerboss Tino - mein bestverkauftes Buch mit rund 12000 verkauften Exemplaren - kommt im Frühlng 2014 wieder in den Buchhandel. In der Zwischenzeit erfolgen Bestellungen direkt beim Autor: w.wottreng@bluewin.ch

 

 

Kriminalgeschichten

Pro Memoria: Ich habe einmal eine Geschichte Zürichs schattenhalb geschrieben. Sozialgeschichte dargestellt an Zürichs Kriminalfällen. Kindsmörder, Hochstapler, Drogendealer. Titel: Verbrechen in der Grossstadt.

Bestellung ebenfalls beim Autor. w.wottreng@bluewin.ch

 

 

Geldfälscher Farinet

Die phantastische Lebensgeschichte des Walliser Geldfälschers Joseph-Samuel Farinet, der grösser war tot als lebendig. Mit Fotos von Urs Walder. Neu im Verlag Rio bei Elster, Zürich, ISBN 978-3-906065-04-5 (vollständig neue Fassung, die Erstfassung erschien 1995, die erneuerte Zweitfassung erschien zuerst im Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2008); Verkaufspreis 16 Franken

 

War er ein Freiheitsheld oder ein Krimineller? Farinet, der berühmteste Geldfälscher der Schweiz, überschwemmte Ende des 19. Jahrhunderts eine ganze Region mit seinen 20-Rappen-Münzen. Die Bauern im Wallis vertrauten ihm mehr als der Kantonalbank mit ihrem Papiergeld. Und die Frauen liebten ihn wegen seiner sanften Art. Gejagt von der Gendarmerie, kam er unter ungeklärten Umständen ums Leben.



Uebrigens: Ich verfüge über einige Restexemplare der prächtig illustrierten Erstausgabe von 1995 für Liebhaber (verbilligt Fr. 50.–. deutsch oder französisch)

 

 

Deubelbeiss & Co: Wie Gangster die Schweiz in Schrecken setzten

«Deubelbeiss & Co. Wie ein Gangsterduo die Schweiz in Schrecken versetzte.» Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2007. ISBN 978-3-280-06095-7.

Für die Schweiz der Nachkriegszeit galten sie als die grössten Verbrecher, die je in diesem Land tätig geworden waren. Unmenschen. Deubelbeiss und sein Komplize Schürmann. Tatsächlich haben sie einen Bankier ermordet. Und bei einem Postüberfall in Reinach AG mit Maschinenpistolen in der Gegend herumgeballert. Angst verbreiteten sie unter anderem deshalb, weil sie sich als antikapitalistische politische Banditen verstanden. Als Kinder sangen wir auf dem Pausenplatz das Lied vom Fuchs, der die Gans gestohlen hatte, mit neuem Refrain: «Sonst holt dich der Deubelbeiss, mit dem Schiessgewe-he-her.» Das Buch ist erschienen.

Aus der Buchkritik von Irene Widmer, Schweizerischer Feuilletondienst: «Deubelbeiss & Co» ist ein Stück Mentalitätsgeschichte aus der Zeit, als Polizisten noch «Landjäger» hiessen und Käfer fuhren. Doch obwohl das Werk mit seinem umfangreichen Anmerkungsapparat wissenschaftlichen Kriterien standhält, braucht es den Vergleich mit professioneller Real-Crime- Faction nach amerikanischem Vorbild nicht zu fürchten. Das liegt vor allem am geschickten Aufbau: Der Leser ist den Polizei- und Strafbehörden nur selten einen Schritt voraus. Deubelbeiss' und Schürmanns Biografien, Details zu ihren Delikten und ihre Beweggründe werden ganz langsam aufgedröselt, stets eingebettet in politische, soziale und kulturelle Zusammenhänge.


Wottreng bleibt immer unparteiisch. Er stellt sich weder auf die Seite derer, die das Gangsterduo als «Dämonen» verteufelten, noch kauft er den beiden Verbrechern ihre antikapitalistischen Absichten ab; angeblich wollten Deubelbeiss und Schürmann mit der Beute eine neue politische Partei gründen und die Güter gerecht umverteilen. Das Erstaunlichste an seinem Buch ist, dass es bei aller Objektivität ungemein witzig ist. Dem Autor gelingt es mühelos, die der Geschichte inhärente Komik mitzutransportieren. Wie da beispielsweise der Dorfpolizist einem verschlafenen Anwohner seine Ordonnanzpistole in die Hand drückt, damit dieser die Einbrecher aufhält, und wie der das mit naiver Unerschrockenheit auch tut - das hat schon fast die Qualität von Keyston-Cop-Kintopp.»

 

 

Zigeunerhäuptling

Die jenische Bewegung in der Schweiz

 

Das Buch erzählt die dramatische Lebensgeschichte des 1933 geborenen Robert Huber. Der Protagonist wuchs als Verdingkind auf und landete in einer Strafanstalt unter Kriminellen. Er war ein Opfer der Aktion «Kinder der Landstrasse», wie eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Schweizer Geschichte bezeichnet wird. Von 1926 bis 1972 entriss die Stiftung Pro Juventute Hunderte Kinder ihren Eltern, um sie der Kultur der Fahrenden zu entfremden.

Huber ging daran nicht zugrunde, im Gegenteil. Er fand schrittweise den Weg zurück zu seinen Wurzeln. Er lehnte sich gegen die Unterdrückung der Kultur der Fahrenden auf und setzte sich als Präsident der «Radgenossenschaft der Landstrasse» für ihre Rechte ein. Seine Lebensgeschichte steht stellvertretend für die Geschichte der Jenischen und ihres erwachenden Selbstbewusstseins in der Schweiz. Es ist auch eine Erfolgsgeschichte.



 

Die Biographie von Robert Huber ist nur erhältlich beim Autor sowie bei der Radgenossenschaft der Landstrasse: info@radgenossenschaft.ch. Ich habe alle Exemplare, welche der Orell Füssli Verlag "verramschen" wollte - de facto ist das eine Bücherverbrennung - der Organisation der Fahrenden geschenkt, damit sie damit möglichst viel Gewinn machen. 

 

Willi Wottreng, «Zigeunerhäuptling. Vom Kind der Landstrasse zum Sprecher der Fahrenden – Das Schicksal des Robert Huber». Orell-Füssli-Verlag, Fr. 39.90. ISBN 978-3-280-D6121-3.

 

 

Hirnriss

«Hirnriss. Wie die Irrenärzte August Forel und Eugen Bleuler das Menschengeschlecht retten wollten». Weltwoche-Verlag, Basel 1999,
ISBN 3-85504-177-6, Fr. 39.–. (Das Buch ist im Buchhandel vergriffen, einzelne Exemplare sind noch beim Autor erhältlich)



Der Ameisenforscher August Forel und der Schizophrenie-Theoretiker Eugen Bleuler prägten die Geschichte der Psychiatrischen Anstalt «Burghölzli» in Zürich. Das Buch «Hirnriss» beschreibt aufgrund von Originaltexten Forels und Bleulers sowie von Patientengeschichten, wie sich Theorie und Praxis der beiden Klinikdirektoren entwickeln. Tatsächlich haben sie geholfen, ein Bild des Menschen zu schaffen, das durch den extremen Gegensatz von «gesund» und «krank» gezeichnet war und das letztlich zur gesellschaftlichen Ausscheidung aller «Abartigen führte.»

Der «kritische Bericht» habe «breite Wirkung» gezeigt, schreibt der Forscher Urs Germann in seinem Buch «Psychiatrie und Strafjustiz» S. 499 Anm. 97). Drei parlamentarische Vorstösse wurden auf Grund dieses Buches eingereicht und zwei Forschungsprojekte initiiert.Im Juni 2005 fand in der Universität Zürich ein Symposium statt, das sich mit der Frage beschäftigte: Soll die Forel-Büste in der Universität entfernt werden?

 

 

Ein einzig Volk von Immigranten

«Ein einzig Volk von Immigranten. Die Geschichte der Einwanderung in die Schweiz». Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2000; zweite Auflage 2002,
ISBN 3-280-02652-0, Fr. 49.–.

Barrikadenkämpfer aus Deutschland, Bauarbeiter aus dem Süden, Studentinnen aus Russland, jüdische Einwanderer aus Osteuropa, politische Flüchtlinge aus aller Herren Länder? Alle sind sie in die Schweiz gekommen, und viele sind im Land geblieben und haben ihren Beitrag zur Entwicklung eines modernen, demokratischen Staatswesens geleistet. Das Buch zeigt: Die Schweiz ist ein Land von Immigranten und gleichzeitig ein Beispiel für eine erfolgreiche Vermischung verschiedener Kulturen.



 

Tino – König des Untergrunds

«Tino – König des Untergrundes. Die wilden Jahre der Halbstarken und Rocker.» Mit Fotos von Karlheinz Weinberger. Verlag Orell-Füssli, dritte Auflage, Zürich 2004,
ISBN 3-280-02821-3, Fr. 49.–.

Tino, das ist die abenteuerliche Geschichte des Gründers der Schweizer Hell‘s Angels, zu einer Zeit, als sich in der bürgerlichen Schweiz die ersten Subkulturen bildeten: Petticoat und Elvis-Tolle, Halbstarke und Gammler werden zu einem Phänomen in den Städten. Ihr Idol ist Tino, der in Halbstarkengruppen, bei den Rockern und schliesslich bei den Hell’s Angels mitmischt – ein Symbol des anarchischen Aufruhrs. Als er 1981 im fernen Bolivien stirbt, findet auch eine Epoche schweizerischer Jugendkultur ihr Ende. Der Autor hat Tinos Geschichte akribisch nachgezeichnet, mit den Protagonisten der Szene gesprochen und Gerichtsakten studiert. Sein Bericht ist eine ganz andere Geschichte schweizerischer Jugendkultur.

 

 

Lydia – eine adlige Feministin 

Neu recherchiert und interpretiert: Die Biographie der Patrizierin Lydia Welti-Escher. 

Lydia Welti-Escher, Eine Frau in der Belle Epoque, Elster-Verlag 2014, 
Fr. 39.80 / Euro (D) 32.00, ISBN 978-3-906065-22-9

 

Die Belle Epoque, das ist Gründerboom, Industrialisierung, Immobilienkrise und gesellschaftliche Skandalisierung von unmoralischem Verhalten. Mittendrin befindet sich Lydia Welti-Escher (1858–1891), Tochter des Eisenbahnkönigs Alfred Escher. Ihre Liebesgeschichte erschütterte die Hautevolee. Dieser grosse Schweizer Stoff ist immer wieder behandelt worden. Ich habe die Dokumente neu gesichtet und bewertet. Nie stand die Patrizierin so als Vertreterin einer ganzen Epoche da – mit ihren Krisen und ihren Karrieren. Für mich ist sie eine adlige Feministin. Und in ihrem gesellschaftlichen Umfeld eine Randständige.

 

Mein Verleger glaubt mit mir: Das ist die gültige Darstellung dieses Lebens. 

 

 

Zürcher Kriminalgeschichte

«Verbrechen in der Grossstadt». Kindsmörder, Hochstapler, Drogendealer - eine Kriminalgeschichte der Stadt Zürich. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2009, 272 Seiten, mit 60 Schwarz-Weiss-Fotografien, Fr. 39.90, ISBN 978-280-06118-3.

 

Jede Zeit hat ihre Verbrechen. Mein Buch zur Zürcher Kriminalgeschichte («Verbrechen in der Grossstadt») lädt ein zu einem Gang durch die letzten 100 Jahre in dieser Stadt, vorbei an Ereignissen, die im Schatten liegen. Gezeigt wird an 24 Kriminalfällen, die zu ihrer Zeit Aufsehen erregten, das Wechselspiel von Kriminalität und Gesellschaft.

In den Städten gibt es mehr Verbrechen als auf dem Land. Die Stadt hat auch hier Zentrumsfunktion: Am Anfang des letzten Jahrhunderts sprach man vom «Sumpf der Städte». Das ist die Kehrseite des urbanen Lebens. Doch ändert sich das Verbrechen mit dem gesellschaftlichen Wandel. Manches, was einmal als kriminell galt, ist es später nicht mehr, und umgekehrt; manches bleibt strafbar, nimmt aber neue Form an: Die Kindsmörderin ist mit der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs weitgehend verschwunden. Die Drogenproduktion war einst frei, und wurde erst später verfolgt. Die Gangsterbande, die es auf Tresore abgesehen hat, war einmal der Inbegriff der Kriminalität und inspirierte die Filmindustrie. Sie tritt seltener in Erscheinung, weil der Tresorraub die Leute nicht mehr ernährt. Dafür schwellen die Internet-Kriminalität an und der Bancomat-Betrug. Selbst Beziehungsdelikte ändern sich, etwa wenn gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht mehr als verboten gelten.

Kriminalgeschichte erzählt immer auch von der «normalen» Gesellschaft. Das Buch ist also eine Art Sozialgeschichte. Einfach von der schwarzen Seite her angegangen.

 

 

Schüttelfrost – eine Reportagesammlung

«Schüttelfrost – Geschichten aus einer kalten Schweiz». Orell Füssli-Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-280-06010-9, Fr. 39.–.


21 freche, haarsträubende und himmeltraurige Geschichten aus der realexistierenden Schweiz. In hart recherchierten Gerichts- und Sozialreportagen berichtet der Autor von sympathischen Tätern und widerständigen Opfern und von einer Schweiz, in der immer noch um Freiheiten gerungen werden muss.

 

Revolutionäre und Querköpfe

«Revolutionäre und Querköpfe – Zürcher Schicksale». Herausgegeben von Hans Vontobel, Zürich 2005, zur Ausstellung «ZUNDEROBSI» im Stadthaus Zürich. Es handelt sich um eine verändert und erweiterte Fassung der Publikation «Zürcher Revolutionäre», erschienen am selben Ort 2002.


(Das Buch hat keine ISBN-Nummer. Es kann bestellt werden bei: Vontobel-Stiftung, Parkring 7, 8002 Zürich, Fax 044 283 58 65., oder via Mail bei mir; ich verschicke es ebenfalls kostenlos.)


Porträtiert werden

Rosa Bloch-Bollag, Generalstreikführerin.
Max Bircher-Benner, Reformarzt.
Lilian Uchtenhagen, Bundesratskandidatin.
Johann Peter Jelmoli, Tuchhändler.
Emmy Hennings, Dadaistin.
Karl Bürkli, Kommunegründer.
Jakob Ochsner, Erfinder des Ochsner-Kübels.
Paula Brupbacher, Sexualreformerin.
Emil Huber-Stockar, Eisenbahn-Ingenieur.
Else Züblin-Spiller, Begründerin von Betriebskantinen.
Julius Maggi, Erfinder von Fertigmahlzeiten.
Tino, Rocker und Hells-Angels-Gründer.
Johann Heinrich Waser, unbotmässiger Pfarrer und Statistiker.
Gottlieb Duttweiler, Migros-Gründer.
Karl Moser, Architekt, der das Niederdorf abreissen wollte.
Regula Engel-Egli, Soldatin in napoleonischen Diensten.
Friedrich Kuhn, Maler.
Otto Brunner, Bürgerkriegsmajor.

 

 

Vivarium 4 – Liebeserklärung an den Kreis 4

Zürich, Langstrasse, Vivarium 4. Text Willi Wottreng, Fotos Stefan Süess. Verlag Walkwerk, 2008, SFr. 29.- ISBN 978-905863-02-4.


Ein Memory-Spiel mit 36 farbigen Karten und einer Broschüre über das Langstrassenquartier, präsentiert in einer handgefalteten Schachtel, Der Tages-Anzeiger kommentiert: «Bilder und Geschichten verbinden sich in den Spielen (besprochen werden 3 Spiele des Verlags) zu einer imaginären Reise in ein Thema. So gibt es zu jedem der drei bisher erschienenen Memo-Spiele ein kleines Heft mit einer Geschichte, die unabhängig von den Fotos entstanden ist. Im Fall des Langstrassenspiels ist es eine fein gesponnene Textcollage des Zürcher Autors und Journalisten Willi Wottreng, die den alten Chrais Chäib lebendig werden lässt. Wottrengs «Vivarium 4», das er im Untertitel «eine Sammlung aus dem Langstrassenbiotop» nennt, erinnert in seiner Anekdotenhaftigkeit auch an die Menschen auf den Bildern. Denn im Langstrassenquartier ist doch jeder ein Geschichtenerzähler.» (TA vom 17. April 2008)

 

 

Kleines Welttheater – Nachrufe

Kleines Welttheater. Nachrufe auf Menschen im Mittelpunkt und am Rand. Orell-Füssli-Verlag, 340 Seiten, SFr. 44.-/Euro 28.-, ISBN 3-280-06071-0.

 


Ob kleiner Gangster oder Grossunternehmer, Sportskanone oder Soldat im Schützen-graben, ob Pornografin oder echte Adlige, der Autor nimmt sie alle ernst: Aufsteiger, Aussenseiter, am Leben Gescheiterte, Bekannte und Unbekannte. Aus hundert farbigen Mosaiksteinchen entsteht ein Panorama des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts. Mit kleinen Lebensgeschichten, die manchmal absurd, gelegentlich lächerlich und immer berührend sind, entwirft der Autor das Bild einer Epoche und ihrer grossen Ereignisse.

 

 

 

Weitere Publikationen

   
Sulzer – eine Familiengeschichte
«Sulzer – eine Familiengeschichte» und «Ende gut – Haldengut». (Buchbeiträge in:) «Basis: Produktion. Industriekultur in Winterthur». Stadtbibliothek Winterthur (Hrsg.), Chronos-Verlag, Zürich 2002.

Masken
«Maskeraden». (Eine Publikation über Masken. Mit Bildern von selbstgefertigen Masken) Vontobel-Stiftung, Zürich 2002.

Jenische
«Eine tragbare Kultur». (Buchbeitrag in:) Urs Walder, «Nomaden in der Schweiz» (Fotobuch). Mit Texten von Mariella Mehr, Venanz Nobel und Willi Wottreng, Andreas-Züst-Verlag, Zürich 1999.

Industriekultur
«Industriebild». (Industriegeschichtliches Fotobuch.) Fotomuseum Winterthur (Hrsg.), Werd-Verlag, Zürich 1994 (Textbeiträge).

Die Schweiz
«Die Schweiz – aus eigener Sicht». Eidgenössische Koordinationskommission, Koko (Hrsg.), Scalo-Verlag, Zürich 1992 (Koautor).


Sprachenvielfalt


«Grüezi, Salaam, Ciao – Reportagen aus einer vielsprachigen Schweiz».Herausgegeben von Karl Wüst, mit Texten von Karl Wüst, Roland Maurer, Frank von Niederhäusern, Willi Wottreng u. a., Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2006.

 

 

 

Lesestück: «Die Schlacht von Aussersihl»

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Gerücht, dass ein Italiener mit dem Namen Giovanni Brescianini in Zürich Aussersihl den unschuldigen Arbeiter Remetter angepöbelt und erstochen hatte. Das Opfer, so die NZZ, sei «ein sonst wohlgelittener Mann» gewesen. Glatt erstochen, eine Rippe durchschnitten, das Küchenmesser war in die Lunge gedrungen. In der Nacht vom Samstag, 25. Juli, auf Sonntag 26. Juli 1896, morgens um zwei Uhr.

Aussersihl war mit seinen knapp 30 000 Einwohnern die grösste städtische Anballung der Schweiz.

Brescianini hatte mit seiner Familie den Namenstag eines Freundes gefeiert. Rotwein floss, es ging laut zu und her. Wahrscheinlich suchte man Nachschub. Jedenfalls begaben sich die Italiener ins Freie, einige betrunken, dort bombardierten zwei mit Bierfässern die verschlossenen Türen eines Restaurants. Plötzlich lief in den Beizen das Gerücht um, es finde eine Schlägerei statt zwischen Italienern und Schweizern.

Da marschieren einige Beizenkumpel los und greifen die Italiener an, unter ihnen eben der Remetter. Brescianini zieht ein 30 cm langes Küchenmesser, das er beim Abmarsch zu von Hause eingepackt hat. Remetter schlägt mit einem Stock auf ihn ein. Dann der verhängnisvolle Messerstich. Auf dem Pflaster bleibt der Elsässer Remetter liegen.

Die NZZ gab sich boulevardesk: «Der schwerverwundete Remetter wurde nach Hause getragen, und dort spielte sich eine herzzerreissende Sterbeszene ab. Er hinterlässt eine der Verzweiflung nahe junge Frau, ein zwölf Tage altes Kindlein und ein solches von etwas über einem Jahr.»

Ein Unschuldiger. «Der bald nachher Verstorbene soll sich am Streit gar nicht beteiligt haben, sondern nur als ein nach Hilfe suchender Bote seiner Freunde den Italienern in die Hände gelaufen sein», wusste der «Tages-Anzeiger».

Zum fünftenmal innert wenigen Monaten hat ein derartiger Tötungsfall in Aussersihl stattgefunden. Klar dass die beteiligten Italiener behaupten, Remetter habe sie angegriffen. Wer lässt sich durch solche Behauptungen beirren? «Dass viele italienische Spelunken in Aussersihl die reinsten Verbrecherhöhlen sind, ist bekannt.» Auch der NZZ. Der Aufruhr ist unausweichlich.

Wenige Stunden nach dem Tötungsfall rottet sich ein Menge zusammen und beginnt, die Restaurants zu stürmen, in denen die Italiener verkehren.

«Ein bewegter Tag», unter diesem lakonischen Titel berichtete der «Tages-Anzeiger» über die Ereignisse. Hunderte von empörten Frauen und Männern hätten die Strasse unsicher gemacht, manche Junge mit Hagenschwänzen und Drahtseilstumpen in der Hand. Im Restaurant San Fedele an der Kurzgasse wurden die Fenster mit Steinen eingeworfen und die eisernen Rolladen bombardiert, so dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren. Das Restaurant von Ana Abbondio an der Ecke Quellenstrasse–Josefstrasse mit Bierfässchen beworfen, so dass kein Fenster mehr ganz blieb. Das Restaurant des Wirtes Zanini an der Zwinglistrasse 11 wurde beschädigt, obwohl der Inhaber ein Tessiner war; Pech. Eine Italienerbaracke beim Eisenbahnviadukt total zertrümmert. Selbst der Wachposten an der Langstrasse wurde angegriffen, weil die Polizei Leute verhaftet hat. Die Presse berichtet von vierzehn Schwerverletzten, eine unbekannte Anzahl Leichtverletzter half sich selbst.

So empfanden es manche: Die Italiener nehmen den Schweizern die Wohnungen weg, sie drücken die Löhne, sie bezahlen keine Steuern, führen sich dafür aber unflätig auf. Nun die Tötung an jenem unbeteiligten Arbeiter. Es muss einmal ein Zeichen gesetzt werden. Eine Quartierversammlung im Restaurant Sonne wird einberufen per Inserat im «Tages-Anzeiger», unterzeichnet von «Viele Bürger des Kreises III» (wie das unlängst eingemeindete Aussersihl amtlich heisst). Der Aufruf wendet sich namentlich an kräftige «Turner» und schweizerisch gesinnte «Grütlianer». Ein Komitee wird gewählt aus sieben angesehenen Persönlichkeiten, darunter drei Wirten. Die wissen am besten, wie’s ums Quartier bestellt ist.

Der grosse Saal in der «Sonne» ist übervoll. Man sei seiner Haut nicht mehr sicher auf der Strasse angesichts der Italiener, von denen viele den «Coltello» – das Messer – trügen, schimpft ein Redner. Ein anderer singt das Hohelied vom «Schweizerblut». Ein Begehren solle an den Stadtrat gerichtet werden, dass abends nach neun Uhr Italiener sich nicht mehr auf der Strasse aufhalten dürften. Es soll ihnen verboten werden, Waffen zu tragen. Insbesondere soll keinem Italiener mehr ein Wirtschaftspatent erteilt werden. Letzteres ist den einheimischen Gewerbetreibenden schon lange ein Anliegen. Eine Resolution wird verabschiedet, welche «in erster Linie eine strenge Kontrolle der hier wohnenden Italiener und eine Untersuchung der Wohnungen in sanitarischer Beziehung» verlangt. Sie droht: «Sollte dies nicht genügen, so wird energisch zur Gründung einer Bürgerwehr geschritten.»

Mittlerweile haben sich in der Lang-, Brauer- und Feldstrasse die Auftritte vom Vortag wiederholt. Der unschuldige elsässische Arbeiter muss gerächt werden. Viele Angehörige italienischer Herkunft werden von Tumultuanten in ihren Wohnräumen aufgesucht und angegriffen, wobei jene Revolver hervorholen und aus den oberen Stockwerken auf die Menge schiessen.

Zwei Polizisten, welche sich dem Treiben entgegenstellen, werden durch Messerstiche verletzt. Es kommt zu Plünderungen: Hier schneidet sich einer vom Schinken ab, den er auf dem demolierten Buffet findet, und dort öffnet ein anderer eine Flasche Wein, die sofort die Runde macht, derweil ein Dritter das unversehrt gebliebene Küchengeschirr abtischt. Dem Wirt Bonzani werden eine Klarinette und Zigarren entwendet.

Die Feuerwehr setzt Hydranten in Gang, eine willkommene Erfrischung am heissen Sommerabend. Die Stadt bietet einige Kompanien der Rekrutenschule auf, sie reichen nicht aus, um Ruhe zu schaffen. Die Menge, die mittlerweile auf mehrere tausend Menschen beziffert wird, zieht vor die Kaserne und verlangt die Freigabe der Verhafteten. Da wird diskutiert und gebrüllt, gepfiffen und gejohlt. Knallfrösche krachen. In unregelmässigen Abständen machen die Soldaten mit gezücktem Bajonett einen Ausfall, um die Leute in Schach zu halten. Kinderwagen stürzen um. Viele flüchten, indem sie in die Sihl springen. Es ist ein Gaudi. «Das Militär sollte Bänke herbeiholen, damit das Publikum sitzen könnte», meint ein Spassvogel. Es ist auch ein patriotischer Anlass: Die Vaterlandshymne wird angestimmt.

Die Italiener sind nicht mehr zu sehen, sie lassen sich von den Arbeitgebern auszahlen und flüchten. Hunderte retten sich in die umliegenden Kiesgruben und Wälder auf dem Käferberg und am Üetliberg, wo sie sich wie Zigeuner einrichten, Lagerfeuer anzünden, Wachen aufstellen und im Freien übernachten. Andere begeben sich vors italienische Konsulat und fordern Fahrscheine Richtung Sole. Viele Baufirmen haben die Italiener entlassen, um nicht selbst Ziel von Angriffen zu werden, Logisgeber ihre Mieter auf die Strasse gestellt. Eine Gruppe von obdachlosen Männern, Frauen und Kindern zieht mit ihren Habseligkeiten gegen den Hauptbahnhof. Ein Sonderzug mit 400 Italienern und Italienerinnen verlässt Zürich. Recht so, man hat sie schon lange loswerden wollen.

Reichlich spät bietet der Kanton zwei weitere Bataillone mit Mannschaften vom Zürichsee auf – 500 Infanteristen und 70 Kavalleristen –, um die Lage zu beruhigen. Langsam rücken sie vor, sperren Strasse für Strasse ab. Die «Arbeiterpartei des Kreises III», hängt Plakate auf, in welchen sie die Arbeiter aufruft, sich nicht an den Krawallen zu beteiligen: «Wir richten die dringende Bitte an Euch, den gegenwärtigen Exzessen, dieser Italienerhetze‘, fernzubleiben. Bietet nicht Hand dazu, dass all die Ungerechtigkeiten, welche da mit unterlaufen, schliesslich der Arbeiterschaft in die Schuhe geschoben werden können.»

So ging der «Italienerkrawall» zu Ende, wie er in der NZZ damals fälschlich genannt wurde; es war ein Schweizerkrawall.

Der Italiener Giovanni Brescianini, der den Elsässer Remetter getötet hatte, wurde vor Gericht gestellt. Doch bis die Verhandlungen stattfanden, war die Hysterie zumindest in den Medien der Nüchternheit gewichen. Anfang Oktober erschien der Presse alles in anderem Licht. Der Italiener sei «ein fleissiger Maurer» und provoziert worden, so die NZZ. Er sei ein «beinahe zart gebauter dreissigjähriger Mann, von nicht unsympathischem Äusseren». Untauglich für die Rolle des Schlächters. Die NZZ hielt nun auch seine «junge lebhafte Frau» der Erwähnung wert.

Nun war alles ganz anders gewesen: «Die in den ersten Tagen, während der Aufregung des Aussersihler Italienerkrawalles fürchterlich aufgebauschte und mit einem schweren Schmuck sensationeller und romantischer Zutaten versehene Geschichte von der brutalen Hinschlachtung eines ehrenfesten, friedfertigen Familienvaters durch einen mordlustigen jähzornigen Italiener ist in der Weise klar gelegt worden, dass man heute richtiger von einem Fall Remetter als von einem Falle Brescianini spricht.» So kommentierte die NZZ. Dass der Italiener vor dem Gang auf die Strasse ein 30 cm langes Küchenmesser eingepackt hatte, galt jetzt nicht mehr als Zeichen von Gewaltbereitschaft, es war ortsüblich.

Der einstige Täter wurde wegen Notwehrüberschreitung mit drei Monaten Gefängnis nur symbolisch bestraft.

Der getötete Aussersihler Arbeiter Aloys Remetter hatte sich ebenfalls gewandelt. Das Opfer wurde postum als Täter entlarvt. Dass er aus dem Elsass stammte, liess ihn nicht mehr als unbeteiligt erscheinen. Nun hatte er die Rolle des Monsters zu übernehmen. Er habe als erster zugeschlagen und dem Italiener einen Kopfschwartenriss zugefügt. Überhaupt sei er ein «ungeschlachter und rauflustiger Mensch mit unregelmässigem Erwerb» gewesen. Ein Raufbold, der mit einer Mordwaffe umherzog. Dem Gericht lag ein mehr als zolldicker Schwarzdornbengel vor, mit einer schweren Eisenspitze am unteren Ende und auf allen Zweignarben besetzt mit schweren Messingkopfnägeln, wie sie die Tapezierer an Sofas verwenden. Remetter habe mit dem Stock auf Brescianini eingeschlagen und seine Kopfschwarte zerrissen. «Wer einen solchen Mordbengel führt, muss es sich gefallen lassen, dass man ihn in die Klasse der zünftigen Raufbolde und Schläger einreiht», besann sich die NZZ zwei Monate nach den Unruhen.

Man hatte den eigentlichen Schuldigen gefunden: Es war weder ein braver Schweizer, noch ein fleissiger Italiener. Ein arbeitsloser Scherenschleifer aus dem Elsass war’s. Ein Zigeuner womöglich. Das stellt nun wirklich alle zufrieden.

Aus dem Buch: «Ein einzig Volk von Immigranten. Die Geschichte der Einwanderung in die Schweiz». Orell Füssli-Verlag, Zürich 2000, Kapitel: «Schweizergeschichten: Giovanni Brescianini – Maurer aus Brescia»